Schwarzer Tourismus zu der Gedenkstätte nach Auschwitz
An der Studienreise vom 24.-29. Juli nahmen 12 Personen im Alter von 15-68 Jahren teil. Von den sechs Reisetagen waren wir zwei Tage in Auschwitz und zwei Tage in Krakau. An den übrigen beiden Tagen sind wir ab- und abgereist. Für unsere An- und Abreise nutzen wir den Zug. Die Hinfahrt dauerte 13 Stunden mit Mund-Nasenschutzmaske. So starteten wir direkt schon in unsere erste Challenge: Geduld und Sitzfleisch. In Auschwitz wohnten im Hotel Olecki. Das Hotel war zu unserer Überraschung gegenüber der Gedenkstätte von Auschwitz. Die Zimmer waren modern, klimatisiert und komfortabel.
Am ersten Tag besuchten wir das Stammlager von Auschwitz. Gleich zu Beginn der Gedenkstätte muss jede*r durch eine Kontrolle. Nach der Kontrolle kam eine junge jüdische Gruppe an uns vorbei. Irgendwie wurde uns dabei mulmig. Die Gebäude vom Stammlager sind gut erhalten. Die Räume sind ausgestattet mit Bildern, Habseligkeiten von Inhaftierten und Begleittafeln. Wir erhielten eine Rundführung von der Gruppenführerin Teresa. Teresa berichtete uns ausführlich von der Funktion des Stammlagers, dessen System und Schicksalen einzelner Häftlinge. Wir verbrachten 4,5 Stunden im Stammlager und nutzten die Zeit für Fragen. Am Nachmittag reflektierten wir unsere Erfahrungen und gingen der Frage nach, welche Bedeutung die Gedenkstätte für uns heute noch hat. Einige Antworten der Teilnehmenden war: eine Mahnung gegen Rassismus, den Verstorbenen zu gedenken, den Holocaust weder zu vergessen noch zu leugnen, Achtung vor dem Tod haben und vorbeugend gegen Ausgrenzung zu kommunizieren. Abends schauten wir den dreistündigen Film „Schindlers Liste“ an. Nach einer kurzen Filmbesprechung ging es dann zu Bett.
Am zweiten Tag erhielten wir morgens einen Vortrag zum Archiv von Auschwitz. Hier erfuhren wir wie bürokratisch die Nazis alles im Lager dokumentierten. Die Dokumentation erstreckt sich über Namenslisten, Todeslisten mit Ursache, Lageraufzeichnungen, Inventar, Bescheinigungen uvm. Gegen Mittag besuchten wir das Außenlager Birkenau. Hier wurde die riesige Dimension der Vorhaben der Nazis noch spürbarer. Es war eine riesige Anlage. Einige wenige Baracken waren noch erhalten, viele weitere bis auf die Grundmauer abgebrannt. Das gesamte Außenlager Birkenau erstreckte sich soweit das Auge reicht. Es war ein unheimlicher Ort, nachdem wir den Eingang passierten. Neben den Baracken schauten wir uns die Ruinen der Gaskammern an und die sogenannte Zentralsauna. Nach 3,5 Stunden in der Sonne verabschiedeten wir uns von unserer Gruppenführerin und dem Außenlager. Zum Abschluss besuchten wir am späten Nachmittag die Nationalen Museen im Stammlager von Auschwitz. Die Ausstellungen haben ergänzenden Charakter zur Gedenkstätte. Sie sind der spezifischen Geschichte der Häftlinge im Hinblick auf deren Nationalität und Herkunft gewidmet. Sie zeigen die Zusammenhänge zwischen der deutschen Besatzung in den jeweiligen Ländern und der Geschichte des Lagers auf. Nach dem Abendessen fuhren wir in einem Shuttlebus nach Krakau. In Krakau wohnten wir in einem riesigen Studentenhotel. Das Hotel hieß "Zaczek" und lag recht zentral. Das Hotel hatte 5 Stockwerke und einen kleinen Innenhof. Hier mussten wir Abstriche in der Klimatisierung und der englischen Sprachfähigkeit machen. Trotz offener Hotelfenster stand die Luft in den Zimmern.
Am dritten Tag nahmen wir morgens ein Frühstück im Hotel ein. Die Servicekraft versucht trotz aller Sprachbarrieren auf polnisch mt uns zu kommunizieren. Im nachhinein wollte wissen wann wir immer zum Frühstück erscheinen. Ein Zettel mit Datum und Uhrzeit half dann weiter. Gut gestärkt ging es in den Tag. Heute auf der Agenda standen zwei Stadtführungen durch Krakau. Begleitet wurden wir von unserer Gruppenführer Teresa. Die Teresa in Krakau ist eine andere als die in Auschwitz. Der Name scheint beliebt in Polen zu sein. Unsere Reiseleiterin führte uns in die Geschichte der Altstadt ein und zeigte und das jüdische Viertel. Im jüdischen Viertel besuchten wir eine kleine Synagoge und trafen auf einen Zweitzeugen. Bei einem leckeren Eis verabschiedeten wir uns von unserer Reiseleiterin. Vergeblich suchten wir in Krakau nach einem leckeren polnischen Essen. Wir gaben letztlich die Hoffnung auf etwas Leckeres zu finden.
Am vierten Tag besuchten wir vormittags das Museum von Oskar Schindler. Das Museum befindet sich im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler und ist original erhalten. Das Museum stellt die Zeit der deutschen Besatzung von 1939-1945 dar. Das Museum ist anschaulich gestaltet und überzeugt mit seinen Requisiten und Darstellungen. Der Nachmittag war größenteils frei. Am späten Nachmittag kamen wir zusammen und führten Gespräche zur Sicherung des Friedens. Anschließend ließen wir den letzten Abend gemeinsam bei einer Pizza im Park ausklingen. Jeder Abend endete mit einem Impuls oder einer Andacht. Wir stellten uns auch die Frage, wo Gott in dieser Schreckenszeit war und warum Gott so viel Leid zuließ.
Auschwitz – ein Schreckenswort hinter dem sehr viel Trauer, Schmerz und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit steckt. Ein Wort das schon so viel aussagt wie tausend Bilder. In Auschwitz wurden über eine Million Menschen ermordet und auf abscheuliche Weise gefoltert. Der Besuch in den Gedenkstätten Auschwitz und Birkenau ist eindrücklich und emotional. Die Bilder und Fakten über diesen Ort bekamen eine ganz andere Dimension. Ein Schauer jagt einem hier über den Rücken. Gleichzeitig ist es eine große Anteilnahme und Respekt der Menschen zu gedenken, die auf Grund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Behinderung, ihrer politischen Überzeugung oder ihrer sexuellen Orientierung vom nationalsozialistischen Terrorregime ausgegrenzt, entwürdigt, verfolgt und ermordet wurden. Die Reise ging uns allen nah. Wir nehmen die gemachten Erfahrungen mit in unsere Herzen und täglichem Handeln auf.
verfasst von Tony Sinke